Die Geschichte der CAD und CAM-Systeme

Von den Lochkarten über die parametrischen 3D-Modellierung bis heute - und darüber hinaus


Bereits in den 50ern ersetzten die ersten Computer in den Forschungsabteilungen Bleistift und Papier. Von den einfachen 2D-Oberflächen bis zu komplexen 3D-Geometrien und Prozessen war es allerdings ein langer Weg. Heute geht der Trend in Richtung branchenspezifischer Systeme mit angepassten Funktionen und Tools.

CAD_CAM History Timeline Infographic

MIT und General Motors als erste CAD-Schmieden
Den Begriff „Computer Aided Design“ prägte der US-Mathematiker und Informatiker Douglas T. Ross in den 50ern. Während seiner Forschungstätigkeit am MIT nahm er am ersten Whirlwind-Projekt im Auftrag der US-Navy teil. Das Ziel war, mithilfe eines Rechners Bewegungsgleichungen numerisch zu lösen, um Flugsimulationen zu ermöglichen. 

Gleichzeitig entwickelte 1957 der Informatiker Patrick Hanratty während seiner Anstellung bei General Electric mit Pronto (Program for Numerical Tooling) eine erste, einfache Programmiersprache zur numerischen Steuerung. Später wechselte er zu General Motors, wo er mit Design Automated by Computer (DAC) das erste CAD-System mit grafischer Darstellung schuf.

 

Lochkarten und CNC-Fräsen – die Anfänge von CAM
In den Anfangszeiten verlief die Entwicklung von CAD und CAM entlang getrennter Pfade. Kaum jemand konnte sich vorstellen, dass CAD-und CAM-Systeme eine derartige Verbreitung finden und zu einem Begriff verschmelzen würden. Als Vater von Computer Aided Manufacturing gilt vor allem der US-Unternehmer John Parsons, der bereits 1949 ein code-basiertes Lochkartensystem entwickelt hatte, um Fräsen zu steuern. Damit war er in der Lage, Rotorblätter für Hubschrauber effizienter zu produzieren. 

Fünf Jahre später programmierte Patrick Hanratty eine Software namens APT (Automatically Programmed Tools). Das Programm übersetzte 3D-Geometrien in numerische Gleichungen und konnte damit Werkzeugmaschinen steuern, was zusammen mit Parsons Erfindung die Geburtsstunde von CNC-Maschinen und Computer Aided Manufacturing markierte. Auch bei Hanratty dienten zunächst Lochkarten als Speichermedien.

Auffällig ist in dieser frühen Phase der CAD/CAM-Geschichte das Fehlen deutscher Unternehmen. Das ist jedoch nicht verwunderlich, da die Anwendungen oft für das Militär entwickelt wurden und es Deutschland unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg verboten war, Flugzeuge zu bauen und die Industrie danieder lag. Aus diesem Grund dominieren bis heute britische, amerikanische oder französische Hersteller die CAD/CAM-Landschaft.

 

Sketchpad und ADAM – die Großeltern der heutigen CAD-Programme
1962 erfand Ivan Sutherland während seiner Doktorarbeit in Informatik am MIT die CAD-Software “Sketchpad”. Dabei handelte es sich um die erste Anwendung mit grafischer Benutzeroberfläche. Nicht nur stellten Benutzer mit einem speziellen Stift Objekte in einem XY-Diagramm dar, sondern konnten ihnen auch Eigenschaften zuweisen und Instanzen definieren.

In jener Zeit versuchte auch Hanratty, in Eigenregie eine CAD-Software zu entwickeln und zu vermarkten. Die ersten Versuche schlugen fehl, doch 1971 gelang ihm mit seinem Automated Drafting and Machining (ADAM) der Durchbruch. Das FORTRAN-Programm ließ sich anders als seine anderen Erfindungen auf fast allen damals existierenden Rechnern verwenden. Später wurde es auch an 16-Bit und 32-Bit Computer angepasst. Experten schätzen, dass 80 Prozent der heutigen CAD-Systeme auf ADAM basieren. 

 

Ursprünglich waren nur Flächenmodellierer verbreitet
Wegen der begrenzten Rechenleistung der damaligen Computer beschränkten sich die ersten CAD-Anwendungen darauf, Flächen zu modellieren. Objekte voneinander zu subtrahieren oder zu addieren war vorerst kaum oder nur unter hohem Aufwand möglich. Dennoch forschte bereits Ende der 60er die Universität Cambridge an 3D-Volumenmodelliersystemen, um komplexe Anlagen abzubilden. Diese konnten Operationen unterstützen, haben jedoch nur eine facettierte Darstellung der Geometrien verwendet ("Dreiecksnetze"). Damit konnten 3D-Operationen wie Tasche, Nocke, Bohrung usw. erzeugt werden, die Modelle hatten aber aufgrund der ungenauen Darstellung Nachteile in der Ableitung von Zeichnungen: so waren z.B. Bohrungen nicht rund und konnten erst nach einiger Nacharbeit bemaßt werden.

 

IGES und STEP – universelle Formate für mehr Interkompatibilität
Während immer mehr Unternehmen kommerzielle CAD-Software entwickelten, waren die Datenformate meist nicht untereinander kompatibel. Das bedeutete für die Anwender einen erheblichen Zeitaufwand, um die Daten zu konvertieren. Aus diesem Anlass führte die US-Regierung bereits Mitte der 70er Jahre den IGES-Standard ein. Allerdings schränkten IGES-Dateien Nutzer ein, da sie nur einfache Elemente wie Linien, Bögen und Oberflächen, aber keine 3D-Geometrien wiedergaben.

1984 startete die Internationale Organisation für Normung, ISO, die Entwicklung eines neuen CAD-Standards. Das neue Format STEP (ab 1994) war in der Lage, sowohl 3D-Objekte als auch Materialeigenschaften und Toleranzen zu speichern. Bis heute ist STEP eines der beliebtesten Formate für den plattformübergreifenden Datenaustausch.

 

Die Volumenmodellierung setzt sich durch
In den 80er Jahren entstanden in Cambridge erste Ansätze für einen BREP-Volumenmodellierer, also einen Modellierer mit Volumenfunktion, welcher die exakte mathematische Begrenzung ("Boundary Representation") der Formen verarbeitete und dadurch exakte Geometrien ermöglichte.

1981 bot das französische Unternehmen Dassault Systèmes mit seiner Software CATIA zum ersten Mal ein mächtiges Werkzeug zur 3D-Oberflächenmodellierung an. CATIA benötigte zunächst IBM-Großrechner, da die Leistung herkömmlicher PCs nicht ausreichte. Das Programm war eine hausinterne Anwendung des Flugzeugherstellers Avions Marcel Dassault, bis andere Unternehmen Interesse bekundeten. Die darauffolgenden CATIA-Versionen (derzeit CATIA V5-6) wurden nicht nur in der Luftfahrt, sondern auch in der Autoindustrie zum Standardtool für 3D-Entwürfe. 

Mit dem Siegeszug von Personal Computern in den späten 70ern und frühen 80ern wuchs auch die Nachfrage nach CAD- und CAM-Software jenseits der Luftfahrt- und Autoindustrie. 1982 führte das US-Softwareunternehmen Autodesk mit AutoCAD das erste CAD-Programm ein, das sich auf herkömmlichen PCs installieren ließ und manuelle Zeichnungen nach und nach überflüssig machte. In einem späteren Update 1985 wurde auch 3D-Modellierung möglich. Die einfache Volumenmodellierung markierte eine neue Phase in der Geschichte von CAD-Systemen. Sogenannte Modellierkerne bildeten 3D-Geometrien besser als IGES- und STEP-Formate ab und waren in der Lage, mehr Informationen zu speichern.

 

Parametische Systeme und Modellierkerne wie Parasolid und ACIS setzen sich durch
Aus der ersten Volumenmodellierer-Forschung entstanden die heute noch existierenden Volumenmodellierer Parasolid (heute Siemens) und ACIS (heute Spatial Technology, eine Tochterfirma von Dassault Systèmes). Volumenmodellierer boten erstmals die Möglichkeit, Geometrien mit Informationen zu ergänzen und nachvollziehbar zu machen. Erstmals war es möglich zu sagen, durch welchen Arbeitsschritt ein bestimmtes Konturmerkmal an der Form entstanden ist. Genau das ebnete den Weg für parametrische Systeme, bei welchen Elemente über die Beziehungen zu anderen Elementen definiert werden und dem Nutzer ermöglicht wird den Entstehungsprozess eines Modells nachzuvollziehen. 

Ab 1989 vermarktete das britische Unternehmen Shape Data den CAD-Kern Parasolid. Die Software ermöglichte es, Flächen zu einer 3D-Geometrie zusammenzufügen und war zu dem Zeitpunkt das mächtigste Kernsystem, das zur Verfügung stand. Bis heute ist Parasolid ein führendes Kernsystem. Die anderen heute noch verbreiteten Kernsysteme ACIS, SMLib (Solid Modeling Solutions) und CGM (CATIA/Dassault) entstammen ebenfalls jener Zeit.

 

Hybridmodellierer etablieren sich
Neben den parametrischen Volumenmodellierern gehören heute die Hybrid-Modellierer, welche sowohl 3D als auch Flächenmodelle, also offene Kanten an Formen erlauben, zum Stand der Technik. In den letzten Jahren haben die Netzmodelle wieder verstärkt Anwendung gefunden, da sie beim Einscannen ("Reverse Engineering") von Teilen entstehen und in der Konstruktion neben den "echten" Volumenmodellen verwendet werden müssen, sei es als Referenz, zur Kontrolle oder als echtes Modell.

 

Native Schnittstellen und integrierte CAD/CAM Software
Ab Mitte der 90er Jahre wurden PCs und Rechenleistung immer günstiger. Immer komplexere 3D-CAD-Software bildete die Geometrien immer genauer ab. 1991 begann die Firma Missler Informatique aus Frankreich, die bis dahin Flächenmodellierer für Formenbauer vertrieben hatte, eine Kooperation mit dem Softwareunternehmen TopCad aus Toulouse. Ihre 3D-CAD-Anwendung TopSolid basiert auf dem mächtigen Kernsystem von Parasolid. Zeitgleich mit Siemens NX bot Missler ab 2001 mit dem Produkt “TopSolid” eine integrierte CAD/CAM-Lösung mit standardmäßig integriertem PDM an. Damit verfolgte Missler als erster Anbieter im Markt den Ansatz der organisierten, kollaborativen Datenstruktur.

Mit zunehmender Verbreitung von CAD- und CAM-Systemen kam dem Thema “Datenaustausch” eine größere Bedeutung zu. Dem Marktdruck folgend entwickelten die meisten Hersteller native Schnittstellen zu anderen CAD-Systemen. Diese versprechen den Informationsverlust beim Datentransfer von einem System ins andere so gering wie möglich zu halten. Trotzdem muss man selbst bei nativen Schnittstellen mit Verlusten rechnen (vgl. Blogbeitrag) und können mit integrierter CAD/CAM-Software aus einer Hand nicht mithalten.

 

Industrie 4.0 - Schnittstellen über CAD/CAM hinaus zu anderen Softwaresystemen
Ab 2000 erschienen erweiterte Systeme auf dem Markt. Neben der Modellierung von Gegenständen und der Simulation des Fertigungsprozesses ermöglichten sie auch eine Integration in ERP- und MES-Systeme - und damit eine immer engere Zusammenarbeit zwischen der Planungs- und der Produktionsabteilung. 

 

Flexible CAD/CAM-Systeme mit branchenspezifischen Lösungen
Derzeit setzen sich im CAD/CAM-Bereich vertikale Lösungen durch, die spezielle Eigenschaften für bestimmte Branchen anbieten. Einige Beispiele sind spezifische Funktionen für den Formenbau, den Werkzeugbau (z.B. für die Konstruktion von Folgeverbundwerkzeugen oder Spritzgusswerkzeugen) oder die Blechbearbeitung. Mit Autodesk Revit für die Bereiche Architektur oder TopSolid Steel für den Stahlbau existieren mittlerweile Lösungen, die Dank branchenspezifischer Bibliotheken den Konstruktions- und Fertigungsprozess deutlich beschleunigen.

 

Ausblick: Datengestütztes CAD/CAM
Im kommenden Jahrzehnt werden die Anforderungen an und die Datenbasis für CAD/CAM Systeme weiter anwachsen. Zur Zeit werden die Daten der Anlagen mittels IoT erhoben. Diese Datenbasis gepaart mit Konstruktions- und Fertigungswissen, der Integration von KI-Algorithmen sowie Virtual Reality werden die Softwareprogramme weit voranbringen. Künftig wird man in der Lage sein, automatisiert komplexe Konstruktionen aus den Vorgaben des Produktentwicklers zu generieren, Aufgaben zu automatisieren, aus CAD-Modellen “lebensechte” 3D-Bilder zu erstellen, Finite-Elemente-basierte Konstruktionsfehler vorauszusehen und dem CAM-Programmierer zeit- und ressourcenoptimierte Fertigungsprozesse vorzuschlagen. Dabei werden insbesondere jene Hersteller das Rennen bestimmen, die ihre Systeme konsequent (an die neuesten Prozessor- und Grafikkarten-Technologien anpassend) verjüngen und ihre Nutzer aktiv in die Weiterentwicklung der Software einbinden. Das wird nur funktionieren, wenn die Hersteller einen signifikanten Anteil ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung investieren.

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