Neue Wege und Geschäftsmodelle für den Werkzeug- und Formenbau

Der Werkzeug- und Formenbau in Deutschland steht vor schwierigen Zeiten. Sein Hauptauftraggeber, die deutsche Automobilindustrie, aber auch andere Industrien müssen sich umstellen und kämpfen zum Teil selber um ihr Überleben. Der Druck wird ungebremst an Zulieferfirmen weitergegeben, mit der Erwartung, dass diese noch günstiger und schneller produzieren. Zudem ist die Konkurrenz in Fernost längst hellwach und sägt beharrlich, teils mit staatlicher Unterstützung, am hauchdünnen Vorsprung deutscher Maschinenbau-Technologien. Die stärksten Zerspaner Asiens sind oftmals deutlich weiter in Sachen Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse, produzieren zu weitaus niedrigeren Lohnkosten und begnügen sich längst nicht mehr damit, den Binnenmarkt und die niedergelassenen Konzernstandorte zu bedienen. Zeitgleich mit dem Abschmelzen der Sprachbarrieren des globalisierten Marktes sinkt auch der Präzisions- und KnowHow-Vorsprung, von dem deutsche Werkzeug- und Formenbauer lange profitiert haben. Durch die Plattform-Strategie der Automobilindustrie und den einfacheren Zugang zu Prototypen-Zentren und disziplinübergreifenden Produktentwicklungs-Inkubatoren in den typischen Produktionsstandorten wie Shenzhen, gibt es in Deutschland immer weniger Aufträge, die eine hohe Präzision und das berühmte Tüftel-Gen erfordern. Dieser Markt wird für zeitkritische Aufträge zwar weiterhin bestehen bleiben, doch davon kann maximal die Hälfte der Werkzeug- und Formenbauer überleben. Was macht die andere Hälfte?

 

Erfolgreiche Firmen sind adaptionsfähig

 

Natalie Fratto hat dazu einen inspirierenden Vortrag auf TED gebracht. Als Venture-Kapitalgeberin suchte sie nach der entscheidenden Formel, wie man erfolgreiche Gründer erkennt. Sie kam zu folgendem Schluss: Ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens ist dessen Fähigkeit zur schnellen Adaption - also Anpassung an sich verändernde Kundenbedürfnisse und Märkte. Die Basis des Erfolges von morgen ist nicht etwa der Erfolg von heute, sondern die Offenheit für neue Impulse sowie die Bereitschaft, sein Business permanent zu überdenken. Stillstand ist Gift für jedes Unternehmen und erfolgreich bleiben nur jene, die ihr Unternehmen weiterentwickeln und immer wieder neu erfinden. 

 

Doch wie und wo soll man als etablierter Maschinenbauer anfangen? Die laufende Arbeit an der Umsetzung folgender Themen ist nicht nur notwendig, sondern auch besonders erfolgversprechend:

 

Optimierung der Arbeitsprozesse

Um schneller und effizienter zu konstruieren und zu fertigen, kommt man um Digitalisierung und Automatisierung nicht herum. Es gibt bereits einige spannende Lösungen im Markt. Aber auch in der Organisation und den Abläufen an sich steckt Optimierungspotential. So sind im Werkzeug-, Formen- und Maschinenbau immer noch viele Fertigungen nicht optimal organisiert. Es wird zum Beispiel auftragsbezogen auf einer einzelnen Maschine gefertigt, statt die Gesamtheit aller herzustellenden Bauteile auftragsübergreifend sinnvoll auf alle Maschinen der Fertigung zu verteilen, um der Flaschenhals-Problematik zu entkommen. Mit einer optimierten Fertigungsplanung könnten verschiedene Bauteile eines Projektes zeitgleich produziert werden. Dadurch verkürzt sich die Fertigstellungszeit und damit Lieferzeit für einen Artikel enorm. Das bedeutet aber, dass der Projektverantwortliche nicht jeden Fertigungsschritt selbst ausführen, sehr wohl aber beaufsichtigen kann. Das “zeitgleiche Arbeiten” geht wiederum nur, wenn im CAD/CAM gute Vorarbeit geleistet wird, so dass an der Maschine keine planerischen oder fertigungskritischen Entscheidungen mehr getroffen werden müssen. Auch die Ansätze des Agile Engineerings sind sehr erfolgversprechend.

 

Stetige Weiterbildung Ihres Teams

In einer Fertigungsrealität mit laufend neuen Arbeitsprozessen, neuen Softwareprogrammen und neuen Maschinen brauchen Sie Mitarbeiter, die ein hohes Lerntempo mitgehen können und offen für Veränderungen sind. Typischerweise übernehmen Mitarbeiter anfangs unbequemen Veränderungen nur dann, wenn sie den Sinn dahinter verstehen und den Prozess mitgestalten können. Binden Sie daher Ihre Teams frühzeitig in Veränderungen ein und schulen Sie diese auf neue Technologien. Andernfalls werden sich Ihre Mitarbeiter überfordert fühlen und sich den von Ihnen angestoßenen Neuerungen verweigern. Vor allem im Software-Bereich ist es wichtig, Ihre Mitarbeiter direkt von Profis schulen zu lassen. Lesen Sie hier, wie Sie durch Zertifikate den Schulungserfolg noch weiter steigern können

 

Schaffen Sie eine offene Unternehmenskultur

Schaffen Sie eine Kultur des Miteinanders basierend auf gegenseitiger Anerkennung, Wertschätzung und Respekt. Hilfreich sind kurze Entscheidungswege durch eine flache Hierarchie, so dass jeder gern Vorschläge für Verbesserungen einbringt. Hinterfragen Sie auch die eigene Fehlerkultur. Es lohnt sich, Fehler als lehrreich zu begreifen. Leben Sie das vor, was Sie von Ihren Teams erwarten! Und prüfen Sie, ob Sie wirklich alles selbst entscheiden müssen: Menschen fühlen sich für ihre Ergebnisse verantwortlich, wenn man ihnen echte Verantwortung überträgt.

 

Hinsichtlich der unternehmerischen Ausrichtung können folgende Ansätze oder deren Kombination hilfreich sein:

 

Mehrgleisig fahren

Viele Werkzeug- und Formenbauer fahren schon heute mehrgleisig und sind gleichzeitig Lohnfertiger, damit ihre Maschinen besser ausgelastet sind.

 

Präzision und Flexibilität

Hohe Präzision und Qualität anbieten, gepaart mit kurzen Wegen für Änderungen und hoher Flexibilität für eine schnelle Umsetzung. Spezialisten sind immer gefragt, doch nur wenige können diesen hohen Ansprüchen auch gerecht werden. Bieten und kommunizieren Sie hohe Präzision und Qualität ab Losgröße 1 an. Investieren Sie regelmäßig in bessere Arbeitsmittel als Ihre Wettbewerber und verschaffen Sie sich so die Flexibilität, auf kurzfristige Marktchancen zu reagieren. Gerade der Fertigungssoftware-Bereich bietet viele Chancen, Aufträge ab Losgröße 1 genauso rentabel zu machen wie Serien. Ob Angebotsmanagement, Werkzeugverwaltung, Software zur Qualitätssicherung oder die Prozess-Absicherung durch NC-Code Simulation - setzen Sie auf eine möglichst nahtlose Systemlandschaft, die Ihre internen Prozesse stützt.  

 

Vertikale Diversifikation

Erweiterung des Leistungsspektrums durch vor- oder nachgelagerte Glieder der Wertschöpfungskette, wie beispielsweise unser Kunde Vollack Modellbau. Hier beteiligt sich der Werkzeug- und Formenbauer mit seiner Produktionserfahrung am Design des neuen Produktes, baut Prototypen und begleitet die Konstruktion bis zur Serienfertigung im eigenen Haus. Der Kontakt mit den Entwicklungsabteilungen der Kunden wird intensiver.

 

Strategische Kooperationen bilden 

Bilden Sie Allianzen! Damit das Ziel der optimalen Auslastung aller Maschinen erfüllt ist, bietet es sich an, mit anderen Fertigern zusammenzuarbeiten. Das müssen nicht Ihre direkten Wettbewerber sein, sondern Firmen, deren Kompetenzen sich gut mit Ihren Kompetenzen ergänzen. Denn selten kommen Aufträge so optimal herein, dass keine Leerläufe entstehen. Und manchmal hat man mehr Arbeit als Maschinen und könnte die Arbeit mit dem Aufschlag einer Marge weitervergeben. Es gibt einige interessante Ansätze im Markt, wie z.B. sich einen Kundenauftrag zu teilen oder mit anderen Firmen gemeinsam ein Komplettangebot anbieten. Das macht Sinn, denn oft fehlen die Kapazitäten, einen Großauftrag alleine zu stemmen, oder man ist genau auf einen Teil des Projektes spezialisiert oder hat noch Kapazitäten auf Maschinen frei. Dann steht man vor der Herausforderung, mit anderen Betrieben kollaborativ und kooperativ zusammenarbeiten und seine Kapazitäten und Know-how zweck- oder projektbezogen bündeln zu können. Hier erleichtert eine gemeinsame Software die Zusammenarbeit enorm. Es macht daher Sinn mit Firmen mit der gleichen oder kompatiblen Software zu kooperieren und sich gemeinsam auf eine Ausschreibung zu bewerben.

 

Nachhaltigkeit und Ressourceneinsparung werden immer wichtiger

Daher werden künftig mehr FEM-optimierte Konstruktionen nachgefragt, die nur so viel Material, wie für die Funktion und Stabilität notwendig ist, verwenden. Auch die Energieeinsparung bei der Produktion wird künftig eine größere Rolle spielen. Dazu gehört nicht nur der Energieverbrauch vor Ort, sondern auch die Logistik. In der Ökobilanz eines Produktes zählen die Transportwege vom Rohmaterial und später die Auslieferung zum Kunden ebenso mit. Aufkommende Emissionssteuern machen heimische Produkte zusehends attraktiver.

 

Nachhaltig ist es aber auch, komplexen Werkzeugen die Chance zur Zweitvermarktung zu ermöglichen. Zwar sind die meisten Werkzeuge sehr spezifisch auf eine Anwendung ausgelegt, doch könnten sie zum Teil für andere Anwendungen umgebaut werden. Manchmal ist es effizienter, ein bestehendes Werkzeug auf seine neuen Bedürfnisse anzupassen, anstatt ein komplett neues Werkzeug zu bauen. Hierfür könnte man seine Werkzeuge nach bestimmten Kriterien in einer unternehmensübergreifenden Datenbank dokumentieren und so dafür geeignete Werkzeuge und Werkzeugteile nachhaltig weiterverwerten. Oder man orientiert sich beim Konstruieren an schon bestehenden Werkzeugzeichnungen und verwendet diese als Basis zur Neugestaltung des nächsten Werkzeuges. TopSolid liefert mit dem PDM die Voraussetzungen dafür.

 

Zukunftsprojekt: Data-Sharing

Das bedeutet, je größer die eigene Konstruktionsdatenbank ist, desto schneller lassen sich neue Bauteile erstellen. Die Nutzung von Normteilbibliotheken und vor allem intelligenten Normteilbibliotheken ist bereits ein Schritt in die richtige Richtung. Noch größer gedacht ist die Idee, das Rad nicht bei jedem neuen Produkt neu zu erfinden, sondern sich auch für Baugruppen eines größeren Datenpools zu bedienen. Was wäre, wenn man CAD-Zeichnungen genauso einfach erwerben bzw. lizenzieren könnte wie Fotos? Über Lizenzgebühren und Lizenzrechtevergaben ließen sich CAD Konstruktionen erwerben und weiterverwenden. Natürlich ist dies nicht einfach, da ein Auftraggeber  üblicherweise seine Konstruktionen aus nachvollziehbaren Gründen geheim halten möchte. Doch wenn er damit Geld verdienen kann, könnte es dennoch sein, dass Konstruktionen nach 3-6 Jahren frei gegeben werden. Derzeit ist es so, dass alte Konstruktionen einfach vergessen werden, obwohl niemand mehr ein Interesse am Schutz des Konstruktionsdesigns hat. Wie toll wäre es, auf diesen Datenschatz zugreifen zu können? Eine intelligente Software könnte Konstruktionsdesigns mit ähnlichen Anforderungen und Materialien als Basis vorschlagen, die man dann nur noch abändern und optimieren muss.

 

Ohne dieses Data-Sharing wird es für kleinere Firmen schwer werden, denn ohne ähnliche Bauteile, müssen sie die neue Konstruktion von Anfang an neu konstruieren. So kann man mit den Herstellungskosten von großen Unternehmen nicht mehr mithalten. Hier hilft es, sich frühzeitig mit anderen zusammenzuschließen und einen gemeinsamen Datenpool aufzubauen.

 

Ähnlich sieht es mit CAM-Programmen aus, denn Standard-Maschinentypen bestimmter Hersteller sind hundert- und tausendfach im Markt verbreitet. Wie toll wäre es, wenn man Zugriff auf alle CAM-Bearbeitungsverfahren und -programme eines Maschinentyps hätte, gewichtet nach Einsatzhäufigkeit? Denn die oft verwendeten Verfahren haben sich offensichtlich im Markt bewährt. Dann könnte man nach ähnlichen Bedingungen und (Teil-) Aufgaben suchen und würde einen CAM-Programmvorschlag mit Frässtrategien erhalten, den man dann nur noch individuell anpassen muss. 


Heute klingt das alles nach Zukunftsmusik, weil die deutschen Werkzeug- und Formenbauer im harten, beinahe verbissenen Wettbewerb miteinander stehen. Wenn man sich aber Branchen-Initiativen, wie den Marktspiegel Werkzeugbau und die Vernetzungsarbeit des VDWF, anschaut, dann wird schnell klar, dass der eigentliche Wettbewerb in Übersee sitzt und die Strategie harter Bandagen für den deutschen Markt ausgedient haben sollte. Wir glauben, dass in Zukunft vor allem jene Firmen florieren werden, die intern wie extern auf Kooperation setzen, Innovation leben, Kompetenzen bündeln und ihren Kunden Komplettlösungen statt Teilschritte bieten.

 

Wir unterstützen Sie gerne dabei Ihren individuellen, unternehmerischen Weg im Werkzeug- und Formenbau zu beschreiten. Unsere TopSolid Produkten aus dem Bereich CAD/CAM und den Erweiterungen zur integrierten Digital Factory 4.0 könnten dabei hilfreich sein.