Wie Reverse Engineering im Werkzeugbau und Formenbau den gelungenen Produktionsanlauf gewährleistet

Reverse Engineering ist ein wichtiger Baustein zur Perfektionierung von Produktionswerkzeugen. Wir nennen die besten Methoden und Werkzeuge.

„Reverse Engineering“ ist auch bekannt als Nachkonstruktion. Führt das eigentliche Engineering vom 3D-Modell zum fertigen Produkt, geht das Reverse Engineering den umgekehrten Weg: vom Produkt zurück zum 3D-Modell. Für die Durchführung dieses Prozesses gibt es je nach Branche unterschiedliche Beweggründe. In der Automobilindustrie etwa werden oft manuell hergestellte Designstudien eingescannt und zu 3D-Modellen umgewandelt. Im Sonderfahrzeugbau ermitteln die Hersteller die genauen Maße des Chassis und anderer Komponenten, weil diese häufig nicht zur Verfügung stehen. Eine eher anrüchige Rolle spielt Reverse Engineering bei der unerlaubten Nachbildung von Markenprodukten. Wenn Kugelschreiber oder Rasenmäher den Originalen täuschend ähnlich sehen, steckt oft Reverse Engineering dahinter.

 

Messdatengewinnung durch Reverse-Engineering-Software

 

Im Werkzeug- und Formenbau wird Reverse Engineering mit TopSolid‘Design jedoch ganz zum Wohle der Kunden und Hersteller verwendet. Häufig werden die ersten gerade hergestellten Produkte mit den CAD-Daten verglichen, um Abweichungen aufzudecken. Besonders bei der Spritzgussfertigung oder der Blechumformung kommt es häufig im ersten Anlauf zu Fehlern, bedingt durch Verzug, Schwindung oder Rückfederung. Solche Effekte lassen sich durch Änderungen an den Prozessparametern, dem Material oder dem Werkzeug mit Hilfe der Software ausgleichen. Nicht selten braucht es mehrere Testzyklen, um die gewünschte Qualität produzieren zu können. 

 

Um die Messdaten der Erstmuster zu gewinnen, die anschließend in TopSolid verarbeitet werden, kommen vor allem drei Gerätetypen in Frage: 3D-Scanner, Koordinatenmessmaschinen und CT-Scanner. 

 

3D-Scanner sind heute die meist verwendeten Geräte für Reverse Engineering. Sie kosten vergleichsweise wenig, arbeiten schnell und vermessen auch Freiformflächen. Durch die softwaregestützte Kombination von Messungen lassen sich sehr große Objekte erfassen. Koordinatenmessmaschinen erfassen einzelne Messpunkte mit sehr hoher Genauigkeit. Objekte mit geraden Flächen können diese Maschinen sehr gut vermessen. Sie werden besonders beim Reverse Engineering im Maschinenbau gerne verwendet. Für Freiformflächen eignen sie sich allerdings nicht. Der aus der Medizin bekannte CT-Scanner erfasst nicht nur die Oberfläche, sondern die äußere und innere Struktur sowie die Dichte des Materials. Dadurch erkennt der CT-Scanner im Unterschied zu den anderen Geräten Hohlräume und Hinterschneidungen sowie verborgene Defekte. Nachteile des CT-Scanners sind die hohen Anschaffungskosten und der große Platzbedarf wegen der notwendigen Abschirmung der Röntgenstrahlung.

 

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3 Konzepte zur Umwandlung von Messdaten in 3D-Modelle

 

Während Koordinatenmessmaschinen einzelne Punkte messen, erhalten Sie bei 3D- und CT-Scannern als Messergebnis immer eine sogenannte Punktewolke. Diese sehr dichte Ansammlung von Messpunkten beschreibt die Kontur des vermessenen Objekts. Um die Punktewolken zu nutzen, müssen die Daten des Reverse Engineering in das CAD-System übertragen werden – die sogenannte Flächenrückführung. Beim Reverse Engineering im Werkzeugbau und Formenbau gibt es drei Konzepte zur Nutzung der gemessenen 3D-Daten:

  • Modellierung als Netz oder Dreiecksfacetten (Triangulation) für Vergleich und Analyse
  • gezielte Bearbeitung des erstellten Netzes
  • Umwandlung in ein vollwertiges 3D-CAD-Modell

Reverse Engineering mit Flächen- und Dreiecksmodell einfach durchführbar

Häufig werden die Punktewolken in ein Netzmodell,  ein aus einer Vielzahl kleiner Dreiecke bestehendes Modell (Format STL oder OBJ), umgewandelt. Dadurch lassen sich die Konturen der Werkstücke gut beschreiben. Der Vergleich des originalen mit dem eingescannten Modell in TopSolid zeigt, an welchen Stellen des Produkts Korrekturbedarf besteht. Die erforderlichen Änderungen werden dann ebenfalls in TopSolid ausgeführt. Die Korrekturschleife aus Testprodukt, Einscannen, Vergleich und Korrektur wird ausgeführt, bis das Produkt die Anforderungen erfüllt. Das ist der Standardablauf für Reverse Engineering im Werkzeug- und Formenbau.

Solche Netzmodelle werden häufig bearbeitet, etwa durch das Anbringen von Bohrungen oder Taschen. Auf diese Weise lassen sich einfach Folgeprozesse definieren. Diese Modelle sind allerdings durch die Annäherung an Dreiecke oft nicht genau genug, um Kanten zu verrunden oder Ausformungsschrägen anzubringen. Die Herstellung von technischen Zeichnungen ist damit ebenfalls oft nicht möglich.

 

Die Umwandlung in Solidmodelle ist möglich

Wenn sich das erfasste Modell nicht wie gewünscht weiterverarbeiten lässt, ist die einzige Möglichkeit, in enge Anlehnung an die Scandaten in TopSolid ein neues CAD-Modell aufzubauen. Der Aufwand dafür gleicht allerdings einer Neukonstruktion. Deswegen kommt dieser Weg praktisch nur in Frage, wenn gar keine CAD-Daten existieren – zum Beispiel, wenn ein altes Ersatzteil nachproduziert werden soll.

Somit bietet Reverse Engineering die größten Vorteile für den Werkzeug- und Formenbau beim Vergleich von Fertigungsmustern mit originalen CAD-Modellen. Dies ist mit Hilfe von 3D-Scannern schnell und kostengünstig durchzuführen. Mit TopSolid gelingt auch die Umwandlung in ein Flächen- oder Dreiecksmodell schnell. Seine Grenzen findet dieses Verfahren bei komplizierten Formen, die sich nicht gänzlich optisch abtasten lassen. Dann ist der CT-Scan das Mittel der Wahl. Diese Vermessung übernehmen auch Messdienstleister.

 

Die Möglichkeit zur Flächenrückführung ist nur einer der vielen Vorteile von TopSolid‘Design. Möchten Sie wissen, was eine moderne CAD-Software sonst noch können sollte? Dann lesen Sie unseren Beitrag über die wichtigsten Voraussetzungen einer zeitgemäßen CAD-Software.

 

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